Katja Feller
Expertin für Kommunikation, Show, PR und Projektmanagement. Sie hat als Journalistin, Redakteurin & Moderatorin für diverse Radiosender gearbeitet (u. a. NDR). 2002 gewann sie den BLM-Hörfunkpreis für den besten Kulturbeitrag. An der Hochschule Düsseldorf studierte sie Kommunikations- & Multimediamanagement.
Um ehrlich zu sein, war ich heute Nacht über das gesamte Ergebnis beim ESC schockiert, nicht nur über den deutschen letzten Platz von Lord of the Lost. Die französische Sängerin La Zarra lieferte mit „Evidemment“ so einen starken Song ab, dass die ganze Halle in Liverpool bebte. Für mich eindeutig Top 5! Ergebnis: Platz 16 von 26. Ich – fassungslos!
Da fragt man sich, wie es sein kann, dass die schwedische Sängerin Loreen mit einer angestrengten Performance und dem Song „Tattoo“ den ESC gewonnen hat? Einen Song, gefühlt ein Aufguss aus 10 verschiedenen Songs.
Und ja. WIESO? Wieso letzter Platz für Deutschland?
Hier ist meine fachliche Analyse zum ESC. Nicht als ESC-Fan, sondern als Marketing, Medien- und Showexpertin.
10 Gründe, weshalb Deutschland beim ESC keinen Erfolg hat
... und weshalb der ESC kein Musikwettbewerb ist!
1. Loreen hatte mit „Tattoo“ weder einen exorbitant guten Song, noch war die Performance großartig. Kein Vergleich zu ihrem Sieg 2012. Was Loreen aber hat: Sie ist bereits eine Größe im Musikbusiness, hat weltweit viele Fans, und ist Schwedin. Aus Schweden kommen ebenfalls einige der weltweit gefragtesten Produzenten und Songwriter. Für „Tattoo“ waren Peter Boström und Thomas G:son hauptverantwortlich, genau wie für ihren Hit „Euphoria“ 2012. Gerade Thomas G:son ist als Komponist ein absoluter ESC-Experte, da er schon über 100 Songs für verschiedene Länder komponierte und einige davon Elemente von bereits aufgeführten Songs enthielten. So erklärt sich auch mein persönlicher Eindruck, dass „Tattoo“ ein Aufguss aus mehreren bekannten Songs ist. Vielleicht ein Erfolgsgeheimnis dieses Jahr.
2. Loreen hat ein starkes Experten-Netzwerk. Sie ist bekannt, Schwedin, man kennt sich innerhalb des Musikbusiness und ist bestens vernetzt. Damit lässt sich das dominierende Jury-Voting der einzelnen Länder von insgesamt 340 Punkten erklären. Fachjury bedeutet, es handelt sich um Sänger, Produzenten und Musikexperten. Die deutsche Fachjury bestand 2023 aus: den Sängerinnen Katja Ebstein, Anica Russo, Alina Süggeler, Musikmanager arne ghosh und Musikchef Kai Tölke vom Radiosender Bremen Vier.
3. Du musst intensiv PR vorab betreiben! Für Loreen gab es nämlich nur 1 Bezeichnung: Favoritin! Triggert man dies durch die (sozialen) Medien und innerhalb des Netzwerks wieder und wieder, setzt man vorab gleich den Anker für das richtige Verhalten bei der Entscheidung. Nämlich Sieg!
4. Du musst du als Act NICHT radiotauglich sein, sondern vor allem bei TikTok und Social Media ziehen. Das haben Israel (Platz 3) und insbesondere Finnland (Platz 2 und mein Platz 1) verstanden! La Zarra aus Frankreich ist dieses Jahr meine Königin, Song und Performance sind der Wahnsinn. Die Finnen haben aber die Entwicklung der Show, der knalligen Kostüme und des lustigen Wackeltanzes perfekt für TikTok als Story inszeniert!
Deshalb ist es auch eher zweitrangig, ob Songs radiotauglich sind. Ich höre jeden Tag BBC Radio 1 und dementsprechend habe ich den englischen Song von Mae Muller auch ständig gehört … trotzdem ist er vorletzter geworden.
Hier kommen wir aber zu einem elementaren Punkt für Deutschland! Es wundern sich immer alle, warum es trotz guter Performance im Radio eine miserable Platzierung beim ESC gibt?
5. Der ESC ist kein Begleitmedium wie das Radio, sondern ein weltweites MEGA-TV-EVENT! Das ist ein riesiger Unterschied! Deshalb muss beim ESC ein Song her, der bei einem Mega-TV-Event funktioniert, und nicht zwingend im Radio. Die Songstruktur dieses dreiminütigen Songs muss eine 90-minütige Show abbilden. Genau das sind aber häufig Elemente im Song, die Hörer im Radio auch extrem schnell nerven. Im Radio soll ein Song möglichst durchhörbar klingen und kategorisierbar sein. Beim ESC, einem Mega-TV-Event, darf der Song DAS auf gar keinen Fall!
6. Singe in deiner Landessprache, zeige deine Identität, bringe prägnante landestypische Elemente in den Song, in die Performance und das in einem modernen Look! So erzeugt man einen klaren USP. Die Kombination birgt ungeahnte Überraschungen und zieht die Zuschauer regelrecht in ihren Bann. Die Belohnung: viele Punkte, oft sogar ein Sieg. Der Beweis: 2022 die Ukraine, 2021 Italien, 2017 Portugal, 2016 wieder die Ukraine …
Der auf finnisch gesungene Song „Cha, Cha, Cha“ von Käärijä (Platz 2) bietet zahllose Twists und damit viele Überraschungen. Käärijä verpasst dem Publikum zuerst eine heftige Ladung Dark-Metal-Techno, dann wird gerappt. Im letzten Drittel befindet man plötzlich im Euro-Dance.
Die prägnante Hook-Line „Cha, Cha, Cha“ wird sogar direkt durch eine Menschenmasse gebrüllt. Dieses Stilmittel im Song soll bereits Akzeptanz bei den Massen implizieren. Ein psychologisch richtig cleverer Move. Käärijä hat so mit einem einzigen Song viele Zielgruppen gecatcht, die dann tatsächlich die Hook-Line auch alle mitsingen können. Ein Meisterstück! Dafür gabs vom Publikum mit 376 deutlich mehr Punkte als für Loreen.
7. Es zählt nicht allein der Song. Es zählt die Show! Begeistere das Publikum, reiße es mit. Der Finne Käärijä hat gestern Abend dafür die Anleitung gegeben, Guildo Horn bereits 1998 (Platz 7). Er sang auf Deutsch! Er sprang wild ins Publikum, hat den Leuten den Kopf gekrault und machte das Publikum zu seinem Star! Show bedeutet vor allem Bühnenpräsenz, Bewegung, Überraschungen, Authentizität!
Auch die drittplatzierte Noa Kirel (Israel) zeigte gestern Abend vollen körperlichen Einsatz in einer perfekt inszenierten Show und Performance! Sie nutzte die gesamte Bühne; die spektakuläre Beleuchtung, die Visuals in voller Größe des Bühnenhintergrunds – wirklich alles passgenau zum starken Song.
8. Der Sound muss stimmen – „fett“ bzw. „voll und voluminös“ oder „sauber“ klingen. Viele Zuschauer haben ihre Geräte an Soundbars angeschlossen oder Geräte mit optimalem Klang. Also erwarten sie das auch von der Performance. Das ist nicht nur während der 3 Minuten entscheidend, sondern im so wichtigen Schnelldurchlauf! Vor Deutschland lief Norwegen mit einer fetten Dynamik, perfekt ausgesteuert. Deutschland ist direkt im Anschluss vollkommen abgefallen. Die Sequenz war viel zu leise und ohne jegliche Dynamik. Der Todesstoß, meiner Meinung nach!
9. Du brauchst demnach eine Gesamtkomposition aus einem starken Song, Sound, Performance und einem starken Bühnenbild. Das Bühnenbild muss zu dem Song passen. Das kann beinhalten, dass bei einem leisen Song nur einen Spot auf den Künstler gerichtet ist, wie 2017 beim Sieg von Portugal. Ist der Song jedoch nicht leise, muss es in den 3 min richtig BALLERN!
Du hast genau 3 min, um wirklich ALLES zu zeigen, was du kannst! Visuals, die den ganzen Hintergrund und den Boden inszenieren, auffällige Kostüme wie bei Käärijä, Tänzer, Licht, Feuer(werk) und ggf. noch andere Dinge fürs Bühnenbild.
10. Die primären Zielgruppen sind:
a) Das ausländische TV-Publikum
b) Menschen aus dem eigenen Land, die als Multiplikatoren innerhalb des Musikgenres bzw. innerhalb der im Ausland ansässigen Verwandtschaft/Freundeskreis auftreten
c) ESC-Fans, wie ich 🙂
Wenn wir unter diesen Gesichtspunkten die deutsche Performance dieses Jahr betrachten, wird schnell klar, warum es dieses Jahr (und in den vergangenen Jahren) nicht funktioniert hat.
11. Es liegt NICHT am Dark-Rock, den Lord of the Lost für Deutschland performt haben. Das Thema ist bereits seit dem Sieg von Lordi 2006 Geschichte! Måneskin haben 2021 ebenfalls mit Rock gewonnen und Käärijä hatte gestern auch Dark-Elemente. Es war mehr als offensichtlich, dass es praktisch keine dem ESC würdige Bühneninszenierung und Show gab. Stattdessen bekam das Publikum einen Auftritt der späten 90er serviert. Dazu kommt der schlechte Sound im Schnelldurchlauf und, und, und ...
Dabei hätte der Song eine krasse Bühneninszenierung sogar hergegeben! Das ist das Traurige an der Sache.
Fazit: Der ESC ist KEIN Songwettbewerb. Der ESC ist in Wirklichkeit ein Marketingwettbewerb mit der perfekten Inszenierung und PR!
Was es daher tatsächlich braucht, um beim ESC zu siegen, ist Marketing- und Showexpertise! Der Song ist am Ende nur so gut, wie das Marketing und die Show.
Sie brauchen uns.
Veranlassen Sie noch heute ein persönliches Beratungsgespräch!
Katja Feller
Expertin für Kommunikation, Show, PR und Projektmanagement. Sie hat als Journalistin, Redakteurin & Moderatorin für diverse Radiosender gearbeitet (u. a. NDR). 2002 gewann sie den BLM-Hörfunkpreis für den besten Kulturbeitrag. An der Hochschule Düsseldorf studierte sie Kommunikations- & Multimediamanagement.
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